Ich sitze im ICE nach Berlin. Fensterplatz. Neben mir sitzt eine dickliche alte Frau mit geschlossenen Augen. Regelmäßig, aber doch unvorhersehbar in der Abfolge, macht sie beim Ausatmen ein Geräusch, das ungefähr wie „Pfff“ klingt. Es ist leise und setzt doch jedes Mal so plötzlich ein, dass ich leicht zusammenzucke. Körpergerüche anderer Leute und die Laute die sie machen umgeben mich und ich kann ihnen nicht ausweichen. Immerhin ist das hyperaktive Kind von vorhin inzwischen scheinbar eingeschlafen. Der misanthropische Unterton an dieser Stelle ist eigentlich trügerisch. Ich fühle mich bloß so eingesperrt: Draußen ist wunderschönes Wetter, die Sonne scheint mit der ersten zaghaften Wärme des frühen März, die Temperatur beträgt vielleicht drei, vier Grad. Das von mir schon immer so geschätzte romantische Fenstermotiv ist gerade so präsent und wahr, jenseits der Scheibe sieht alles so frisch und rein und ursprünglich aus, und ich sitze hier auf der falschen Seite, in dem Mief...
Ich heiße Johanna, war ein furchtbar unsportliches Kind und habe Englisch und Philosophie studiert. Mein Leben lang bin ich auf die eine oder andere Weise gerannt, doch seit ich 2008 tatsächlich mit dem Laufen begonnen habe, bin ich immer mehr auch angekommen. Um dieses Element in meinem Dasein, welches mir zugleich Fundament und Bewegung bedeutet, soll es hier gehen: das Laufen.