Ich sitze im ICE nach Berlin. Fensterplatz. Neben mir sitzt eine dickliche alte Frau mit geschlossenen Augen. Regelmäßig, aber doch unvorhersehbar in der Abfolge, macht sie beim Ausatmen ein Geräusch, das ungefähr wie „Pfff“ klingt. Es ist leise und setzt doch jedes Mal so plötzlich ein, dass ich leicht zusammenzucke. Körpergerüche anderer Leute und die Laute die sie machen umgeben mich und ich kann ihnen nicht ausweichen. Immerhin ist das hyperaktive Kind von vorhin inzwischen scheinbar eingeschlafen.
Der misanthropische Unterton an dieser Stelle ist eigentlich trügerisch. Ich fühle mich bloß so eingesperrt: Draußen ist wunderschönes Wetter, die Sonne scheint mit der ersten zaghaften Wärme des frühen März, die Temperatur beträgt vielleicht drei, vier Grad. Das von mir schon immer so geschätzte romantische Fenstermotiv ist gerade so präsent und wahr, jenseits der Scheibe sieht alles so frisch und rein und ursprünglich aus, und ich sitze hier auf der falschen Seite, in dem Mief anderer Leute (die natürlich auch in meinem Mief sitzen, dessen bin ich mir schon bewusst).
Mit 250 Stundenkilometern sause ich in einem Sessel über die Felder und würde mich doch viel lieber gerade im Laufschritt auf meinen eigenen Füßen fortbewegen. Zugegeben, im Laufschritt würde es natürlich erheblich länger als dreieinhalb Stunden von Essen nach Berlin dauern. Und doch, die Sehnsucht bleibt...
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