Über Gewohnheiten und Grundsatzdiskussionen mit mir selbst.
Den meisten Marathonläufern (oder auch Teilnehmern weniger selbstgeißelnder Stadtläufe) ist sie wahrscheinlich in irgendeiner Form bekannt: Die blaue Linie. Sie zeigt den sich wettbewerbenden Läufern den Weg, stetig zieht sie sich immer weiter, ohne Unterbrechungen, ein Leuchtturm der Kontinuität.
Na gut, sie ist vielleicht nicht immer blau, und je nachdem, wie gut das Lauflinienmalgerät so funktioniert hat, gibt es hie und da vielleicht auch eine kleine Lücke. Aber alles in allem ist die blaue Linie für den laufenden Athleten das, was das weiße Kaninchen für Alice war: Es gilt, ihr zu folgen.
Was mich an dieser Linie so sehr fasziniert ist ihre Beständigkeit. Also, eigentlich fasziniert mich gar nicht die Linie an sich, sondern das, wofür sie steht – und zwar schon in Bezug auf das Laufen.
Einer gewissen Beständigkeit in dieser Hinsicht darf ich mich sicher auch selbst rühmen, immerhin laufe ich inzwischen seit elf Jahren oder so durchaus mit einer gewissen Regelmäßigkeit, so über den Daumen gepeilt schon durchschnittlich zwei- bis dreimal (in guten Zeiten eher dreimal) die Woche.
Immer wieder neu verhandeln
Okay, ich weiß also, wie es funktioniert, könnte man jetzt sagen. Das Ding ist aber: Ich verhandele jeden Lauf neu mit mir. Ich wäge immer wieder neu ab: Hab ich Zeit? Bock? Schnell? Langsam? Wie weit? Hügel, Intervalle oder einfach gechillt geradeaus? Und dann noch das Wetter... Grundsätzlich ist da ja erst einmal rein gar nichts gegen einzuwenden. Kann man so machen, erstens ist eine gewisse Flexibilität ja nicht verkehrt (ich bin zwar definitiv nicht Tim Bendzko, aber auch keine Maschine) und zweitens kommt das Leben auch manchmal anders als geplant daher (Erkältungen, lange Arbeitstage, prominenter unverschiebbarer Spontanbesuch, neue Modern-Family-Folgen auf Netflix, you name it). Was also über all die Jahre in meinem Leben Beständigkeit hatte und hat (mit Ausnahme weniger Sinnkrisen), ist die Wichtigkeit, die das Laufen als solches für mich hat.
Das ist doch schön!, könnte man jetzt sagen, eine feine Sache und ein schöner Ausgleich und auch so gesund, darauf also ein alkoholfreies Erdinger und Ende der Geschichte.
Routine vs. Flexibilität
AAAABER... Trotzdem habe ich über die Jahre immer wieder versucht, meine „blaue Linie“ zu finden: Ich bin Trainingsplänen gefolgt (grundsätzlich nicht verkehrt), habe versucht, immer an den gleichen Wochentagen zu laufen (klappt nur bedingt), immer zu gleichen Zeit zu laufen (klappt nicht), abends nach der Arbeit (ganz ok), in der Mittagspause (erfreut aus unterschiedlichen Gründen nicht alle Kollegen), morgens ganz früh (erfreut aus dem offensichtlichen Grund mich selbst nur sehr manchmal).
Die aktuelle Sau, die ich durch mein persönliches Läuferdorf treibe, ist das „4-mal-pro-Woche-laufen-Projekt“. Egal wie lange, egal wie weit (obwohl ich bei Läufen unter 5 km immer irgendwie „zählt eigentlich nicht“ denke und am Ende heimlich doch weitertrabe bis 5 auf der Uhr steht, auch wenn das total bescheuert ist), wichtig ist einfach nur dass. Es läuft bislang... ganz okay. Vier Wochen am Stück konnte ich schon durchziehen, dann kam eine Woche „Kein Bock“ (nur einmal gelaufen, kann als Erholungswoche zählen, finde ich), dann lief es wieder. Ich teste die Methode noch mit einer gewissen Skepsis, will ihr aber wenigstens drei Monate zum Gedeihen einräumen. Gewohnheiten müssen sich schließlich entwickeln.
Die aktuelle Sau, die ich durch mein persönliches Läuferdorf treibe, ist das „4-mal-pro-Woche-laufen-Projekt“. Egal wie lange, egal wie weit (obwohl ich bei Läufen unter 5 km immer irgendwie „zählt eigentlich nicht“ denke und am Ende heimlich doch weitertrabe bis 5 auf der Uhr steht, auch wenn das total bescheuert ist), wichtig ist einfach nur dass. Es läuft bislang... ganz okay. Vier Wochen am Stück konnte ich schon durchziehen, dann kam eine Woche „Kein Bock“ (nur einmal gelaufen, kann als Erholungswoche zählen, finde ich), dann lief es wieder. Ich teste die Methode noch mit einer gewissen Skepsis, will ihr aber wenigstens drei Monate zum Gedeihen einräumen. Gewohnheiten müssen sich schließlich entwickeln.
Laufen wie Zähneputzen?
Warum nun aber der ganze Stress? Eine sehr gute Frage. Es ist doch eben so: Gewohnheiten machen das Leben leichter. Egal wie sie aussehen, Gewohnheiten nehmen uns Entscheidungen ab: Wir brauchen nicht mehr groß nachzudenken, wir handeln einfach. Das kann gut oder schlecht sein: Der allabendliche Griff in die Weingummitüte kann eine Gewohnheit und sehr gut für die Laune sein, ebenso wie das morgendliche Zähneputzen, das wiederum sehr schlecht für alle betroffenen Kariesbakterien ist. Letzteres machen die meisten von uns jeden Tag ohne groß darüber nachzudenken oder darüber neu zu verhandeln, auch wenn unsere Eltern da über Jahre hinweg sicher einen ganz anderen Eindruck gewonnen haben. (Die Anstrengung hat sich aber gelohnt, die Gewohnheit sitzt. Wenn wir jetzt noch Zahnseide verwenden würden...)
Und deshalb glaube ich ja oder stelle mir vor, dass es wahnsinnig entspannend sein muss, wenn man es ganz gewohnheitsmäßig jeden zweiten Tag in die Laufschuhe schafft, einfach so, ohne darüber nachzudenken oder vorher eine Grundsatzdiskussion mit dem eigenen Zeitplan oder den Befindlichkeiten auszutragen. Einfach einen Fuß vor den anderen setzen, immer weiter der blauen Linie folgen. Und mehr Platz im Kopf haben für andere Dinge.
Ein großes Stück auf dem Weg dahin habe ich im Grunde auch schon geschafft. Ich habe bereits eine ganz gute Laufroutine, ich tue regelmäßig etwas, was mir nicht nur gut tut, sondern mir auch Freude macht und dafür sorgt, dass ich mich wohl fühle. Das stelle ich mit Stolz und Dankbarkeit fest. Die blaue Linie habe ich eigentlich schon gefunden. Nur das Lauflinienmalgerät braucht ab und zu ein wenig Wartung.
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