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Beginnings

Es gibt so viele verschiedene Startpunkte für einen Lauf. Nicht nur örtlich betrachtet - um an dieser Stelle einen Anglizismus zu bemühen: Das Setting kann so unterschiedlich sein! Ich habe oft darüber nachgedacht, wann ich eigentlich mit dem Laufen begonnen habe. Um ganz ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht mehr. Die ersten bleibenden Laufeindrücke, an die ich mich erinnere, waren im tiefen Finnlandschnee. In meinem heutigen Fachsimpel-Läuferlatein wären das vermutlich knallharte Trailläufe gewesen. Weite, weiß und einsam - später unerreicht und doch nur ein Anfang. Der Neusser Scheibendamm gehört auch zu meinen ersten Laufschritten und eigentlich weiß ich nicht mehr, wann aus dem Lauf-Geh-Gemisch ein Laufen ohne Pausen wurde - ich weiß aber noch ganz genau, wie unfassbar stolz es mich gemacht hat. Schon komisch: Ich habe als erwachsener Mensch das Laufen neu gelernt und meine Erinnerungen daran sind inzwischen fast genau so verschwommen wie an die ersten Kindheitserinnerungen. 

Der Grund, nach draußen zu gehen und loszulaufen, der Ausgangspunkt für einen Lauf, ist aber keineswegs immer gleich geblieben. Es ist nicht so, dass es einfach immer darum geht, irgendeinen ominösen Schweinehund zu überwinden oder Kalorien den Garaus zu machen. Naja, manchmal schon. Manchmal geht es darum, sich selbst zu besiegen, die eigene Faulheit, Trägheit, das eigene Selbstmitleid und sich am Ende einfach besser zu fühlen als vorher. Vielleicht etwas Selbstrespekt zu gewinnen, der vorher gefehlt hat. Sehr oft geht es darum, den Kopf frei zu bekommen. Dinge klarer zu sehen. Den eigenen Standpunkt zu erkennen - ja genau, durch Bewegung. Sehr selten nur geht es ums Weglaufen und niemals so ganz. Jedes Weglaufen ist auch immer ein Hinlaufen, ein Woandershinlaufen. Dazu brauche ich das Ziel nicht zu kennen. Wenn nichts mehr gesagt werden kann, dann ist einfach loslaufen oft das Einzige, das mir noch weiter hilft.

Vor allem ist Laufen aber auch immer wieder ein Ankommen. Bei mir selbst. Wenn ich mich aus den Augen verloren habe. Wenn ich in den Spiegel schauen kann, so lange ich will und mich trotzdem nicht erkenne. Dann helfen mir Kilometer, stetig rinnender Schweiß und das monotone Geräusch meiner Schritte auf dem Boden. Ich gehe darin auf und dafür brauche ich keineswegs eine Krise. Ganz im Gegenteil: Das Beste ist eigentlich, wenn ich bei mir selbst loslaufe und mit mir selbst wieder ankomme, glücklich und klar und trotzdem nicht mehr ganz derselbe Mensch wie am Anfang. Darum geht es wohl beim Laufen: Es macht diese Bewegung, die das Leben nun einmal ist, so greifbar. Und deshalb ist es auch so egal, wie langsam oder schnell ein Lauf ist, wie weit und wie anstrengend. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: Fürchte nicht die Langsamkeit, fürchte den Stillstand. Wie wahr.

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