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Happy Höhenmeter? Im Schwarzwald geht es bergauf.

Ich bin, so hat es ein leider nie wiedergesehener netter Gesprächspartner auf einer Berliner Hinterhofsommerhochzeitsfeier einmal schön in Worte gefasst, „ein richtiges Draußenmädchen“. Ich gehe gerne wandern, habe schon als Kind beim Spielen mit Vorliebe so getan, als gäbe es in unserem Garten keine Zivilisation und übernachte heute noch gerne im Wald, obwohl ich Spinnen eklig finde. (Dazu mein Mann nachdenklich während einer kalten Januarnacht nahe Forbach: „Jetzt bezahlen wir also Miete für eine Wohnung in Köln und eine Wohnung in Baden-Baden und schlafen im Winter im Zelt.“) Eigentlich spiele ich immer noch gerne draußen und tue so, als gäbe es keine Zivilsation. (Nur Wege. Und Wegweiser. Und Googlemaps.)

Jedenfalls ist es als „Draußenmädchen“ mit Begeisterung für Laufsport ja fast selbstverpflichtend, Trailrunning (wie „Durch-den-Wald-Laufen“ neudeutsch heißt) großartig zu finden. Auch ich finde, dass Laufbänder irgendwie wahr gewordene Hamsterräder für Menschen sind und habe mich nicht ganz unwesentlich auch von der romantischen Vorstellung von vogelbezwitscherten Laufrunden auf verwunschenen Waldwegen leiten lassen, als ich 2019 eine neue Stelle in Baden-Baden antrat. Und ach, meine verträumte Vorstellung wurde nicht enttäuscht! Der Schwarzwald ist wirklich genauso schön, wie ich ihn mir ausgemalt hatte und insbesondere im Kontrast zur Domstadt ist die Stille fast ohrenbetäubend, auf gute Weise ruhig und wirklich erholsam – welche Wohltat. Es ist aber auch ... nun ja, hügelig.


Montanophobie-Bewältigung op Kölsch


Dessen war ich mir durchaus auch vorher bewusst, als rheinische Läuferin machte sich bei mir also eine gewisse Montanophobie breit. Denn in den Bergen wandern ist das eine – Höhenmeter laufend zu bewältigen aber etwas ganz anderes, in Köln nur mit echtem Willen trainierbar. Traurigerweise zum Beispiel auf Laufbändern mit eingestelltem Neigungswinkel. Also ja: Meine Vorbereitungen auf das neue Laufrevier fanden zu einem nicht unwesentlichen Teil ausgerechnet im Fitnessstudio statt.

Bei einem unserer ersten Aufenthalte in Baden-Baden (wir besichtigten die spätere Dienstwohnung, ein etwas zugiger, aber heller und charmanter Altbau mit Walnussbaum und Magnolie im Garten, der in Köln vermutlich unbezahlbar gewesen wäre) spazierten Marc und ich einen der vielen Wanderwege rund um die entzückende Stadt entlang. An einer Wegkreuzung stürmte plötzlich eine Läufergruppe einen eher beschwerlich aussehenden Pfad hinunter, die Blicke hochkonzentriert, Trailschuhe an den Füßen und Trinkwesten umgeschnallt, nur um den nächsten Weg bergauf weiterzustürmen und wieder im Wald zu verschwinden. „Das könntest du bald sein!“, kommentierte mein optimistischer Ehemann. Ich staunte derweil, an seinen Worten zweifelnd, den Läufern hinterher, während ich jedoch leise bei mir dachte: Challenge accepted.


Laufen bis es nicht mehr geht und gehen bis es wieder läuft

Zwar hatte ich zur Vorbereitung meine Urban-Sports-Mitgliedschaft in den letzten Wochen ihres Vorhandenseins für diverse Hügeleinheiten auf dem von mir wenig geschätzten Laufband genutzt. Trotzdem bedeuteten die badischen Höhenmeter für mich zunächst vor allem eins: Gehpausen. Der alte Grundsatz „Laufen bis es nicht mehr geht und gehen bis es wieder läuft“ machte sich bezahlt – und sollte sich auch später als wichtiger Grundbaustein einer neuen, durchaus produktiven Langsamkeit entpuppen. Am Anfang fiel mir das überhaupt nicht leicht: obwohl ich nun wirklich keine Speedkanone bin, frustrierte mich die Durchschnittspace bei der Laufauswertung zunächst ziemlich. Doch es gelang mir, den Stolz etwas zur Seite zu schieben und nach einiger Zeit freute ich mich einfach, wenn ich eine bestimmte Steigung mit zwei statt mit drei Gehpausen geschafft hatte. Zurück in Köln zeigten sich dann an den Wochenenden die „Nebenwirkungen“ der gelaufenen Höhenmeter umso deutlicher: Ich verbesserte meine 10-km-Bestzeit zweimal, im Dezember 2019 waren die 55 Minuten (für viele ein Klacks, für mich jahrelang unerreichbar) geknackt.


Bestzeit dank Gehpausenstrategie?!


Vor allem genoss ich die Ruhe und die Schönheit der Laufwege rund um Baden-Baden, die ich nun innerhalb weniger Minuten von meiner Haustür aus erreichen konnte: So viel Landschaft, die ich mit so wenigen Menschen teilen musste – in Köln wäre das undenkbar gewesen. Mit meiner Gehpausenstrategie und etwas Training stellte sich zunehmend echte Freude ein, die die Anstrengung locker aufwiegen konnte. 2019 ging für mich damit als durchweg positives Laufjahr in meine persönliche Geschichte ein. Ich war so motiviert, dass ich mich sogar, zusammen mit einer lieben Kollegin, für den Hamburg-Marathon 2020 anmeldete. Da hatte ich noch keine Ahnung, wie 2020 aussehen würde...


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