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Laufen 2020 – Pt. 2: Ein Beinahe-Sixpack und ganz neue Ziele

Nach dem für mich triumphalen Abschluss des Marathonkurses braucht es nicht viel, um mich für den Anschlusskurs im Sommer zu begeistern. Zwar sind nach wie vor keine „echten“ Laufwettbewerbe in Sicht, aber der sommerliche Schwarzwald lockt als Laufrevier, zumal inmitten von Lockdowns und Corona-Tristesse. 

Auch den besten aller Ehemänner kann ich von meinem Vorhaben überzeugen, zumal es in diesem „Ausnahmekurs“ einen Laufplan für alle gibt und Gesundheit, Spaß und Höhenmeter statt Kilometer kloppen im Fokus stehen. Kraft- und vor allem Rumpftraining bleibt weiterhin ein Schwerpunkt, der berühmte Sixpack wird für die einen mehr, für die anderen weniger scherzhaft zum neuen Ziel. Ich persönlich bin jedenfalls stolz wie Bolle, als sich die ersten Muskelpartien recht deutlich abzuzeichnen beginnen.


Neue Ziele 


Das neue Laufziel ist indes folgendes: Den Panoramaweg rund um Baden-Baden laufen – etwa 45 Kilometer mit 1800 Höhenmetern als „Run & Hike“, Steigungen dürfen und sollen ausdrücklich gegangen werden. Ein anspruchsvolles Vorhaben, entsprechend hat es auch das Training weiterhin in sich, lange Läufe über 30 und 35 Kilometer inbegriffen. 

Als Ende August der erste gemeinsame 30er auf dem Plan steht ist es warm und etwas schwül. Ab Kilometer 18 fühle ich mich deutlich erschöpfter als erwartet und freue mich sehr über den kurz darauf auftauchenden Versorgungspunkt, der sogar Isogetränke bereithält. Die Pause tut gut und am Ende werden es 31 schöne, aber anstrengende Kilometer. Ich bin froh und dankbar, dass ich nicht auch noch mit Regelschmerzen zu kämpfen habe, mit denen ich eigentlich zu diesem Zeitpunkt gerechnet hatte. Eine Woche später ist auch der Grund klar: Ich bin schwanger! Der kleine Nachwuchsläufer hat seinen ersten 30er als blinder Passagier zum Glück bestens weggesteckt. 

Beim Panoramaweglauf bin ich trotzdem dabei - allerdings als Helferin beim Überraschungsversorgungspunkt und beim Zieleinlauf im Baden-Badener Kurgarten.



Meine Ziele ändern sich erneut. Im September notiere ich diesbezüglich:


Ruhig machen

Trotzdem laufen

Freuen!


Und das gelingt mir auch. Von meinem geplanten 35-km-Lauf auf dem Rennsteig, wo wir diesen Sommer unseren Urlaub verbringen, verabschiede ich mich zwar, ebenso wie von anspruchsvolleren Trails. Trotzdem bleibe ich beim Laufen so dran, wie es mir Spaß macht und mag mich nur wegen ein paar Wurzeln und Steine auch nicht aus dem Wald verabschieden. Das ein oder andere Mal verhebe ich mich zugegebenermaßen etwas mit meiner Selbsteinschätzung, doch mein Körper erweist sich als sehr verlässlicher Gesprächspartner: Das Mini-Menschlein gibt klar den Takt und die Pace vor. Nach Tempotraining und Höhenmetern steht für mich im letzten Jahresdrittel die Lektion Körpergefühl auf dem Trainingsplan. 


Babykugel statt Sixpack


Dabei bestärken mich Teamärztin Conny, mein Gynäkologe, der beim Stichwort Lauftraining ganz klar sagt „Das machen Sie einfach so weiter, wie es für Sie passt“, sowie der beste Ehemann der Welt, der mich nun oft beim Laufen begleitet und mit mir an vielen Wochenenden für längere Läufe (das bedeutet zu diesem Zeitpunkt etwa zehn bis zwölf Kilometer) in den Wald fährt. Nach viel Müdigkeit und Erschöpfung im ersten Trimenon bessert sich meine Fitness ab dem vierten Monat wieder etwas und so erreiche ich Mitte Dezember, im fünften Schwangerschaftsmonat, noch ein zu ganz unschwangeren Zeiten gefasstes Ziel für 2020: 1500 Laufkilometer. Das ist mein bisheriger Jahresrekord, auf den ich unter den gegebenen Umständen noch einmal extrastolz bin.


Auch wenn es in diesem verrückten Jahr Hochs und Tiefs gab, ziehe ich persönlich abschließend ein sehr positives Fazit: Ich war 2020 keinen einzigen Tag krank, im Prinzip komplett verletzungsfrei und zweifellos in der Verfassung meines Lebens, um meinen persönlich bislang wichtigsten „Marathon“ zu beginnen. Ich bin unglaublich dankbar für meine gute Fitness, für die vielen Bauchmuskelübungen und den starken Rumpf, der vor allem auf den letzten Metern einiges an Zusatzgewicht trägt – und für die gute Ausdauer, die im Endspurt kaum überschätzt werden kann.


Den Glauben an sich selbst kann man zwar nicht outsourcen. Aber man kann ihn und das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des eigenen Körpers trainieren. Ich habe dabei vor allem drei Dinge gelernt:


  1. Ich kann viel mehr, als ich dachte.
  2. Manche Ziele sind nicht so wichtig, wie man glaubt.
  3. Sie helfen dennoch weiter, denn indem man sie verfolgt, erkennt man nicht nur mehr vom Weg, sondern auch von der Umgebung. 

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